Erste Untersuchung der Berliner Geschichts- und Heimatvereine
Im Rahmen einer Abschlussarbeit an der Freien Universität Berlin wurde erstmals die aktuelle Berliner Vereinslandschaft der Geschichts- und Heimatvereine erfasst. Dabei wurden 202 Vereine kontaktiert und um die Teilnahme an einem Online-Fragebogen gebeten. Ca. 50% der Vereine beteiligten sich an der Umfrage. Die Untersuchung stellt den ersten Schritt in der wissenschaftlichen Analyse der Berliner Vereine dar und ist hoffentlich ein Anreiz für weitere Beschäftigung mit dem Thema. Nachfolgend sind einige Ergebnisse der Untersuchung zu finden.
Kategorien von Vereinen
Bei der Untersuchung der Vereine wurden folgende Kategorien ermittelt:
- Geschichtsvereine: beschäftigen sich mit einem überregionalen- oder übergreifenden Thema. Ein möglicher Bezug zur Orts- oder Regionalgeschichte steht im Hintergrund.
- Heimatvereine: sind an geschichtlichen Themen interessiert, die einen starken Bezug zur Ortsgeschichte haben. Eine Trennung des geschichtlichen Themas und des Ortsbezugs ist nicht möglich.
- Fördervereine: bieten ideelle und materielle Unterstützung für einen anderen Verein, eine Organisation oder im Gebiet des Fördervereins forschende Menschen. Je nach Ausgestaltung sind Überschneidungen mit den Kategorien des Geschichts- und Heimatvereins möglich.
- Interessenvereine: bieten anderen Organisationen, Vereinen oder im Gebiet des Vereins arbeitenden Menschen Unterstützung bei der Vertretung ihrer Interessen gegenüber anderen Akteuren aus Politik und Gesellschaft.
Darstellung der Vereinskategorien
Standorte der Berliner Vereine
Da die Standorte der Vereine auf Berlin History Map dargestellt werden, liegt es nahe, zu prüfen, wie die Vereine auf die Berliner Bezirke verteilt sind. Die Zuordnung zu den Bezirken ist nicht bei allen Vereinen auf Dauer festgelegt. Oft handelt es sich bei den Adressen auch um die Privatadresse des Vorstands, da der Verein keine eigenen Räumlichkeiten hat. Deshalb sind hier auf lange Sicht Fluktuationen zu erwarten. Trotzdem kann anhand der Lokalisierung ein Trend abgelesen werden. In der unten stehenden Tabelle wird angegeben, wie viele Vereine pro Bezirk ansässig sind. Dabei werden die teilnehmenden Vereine und die Zahl aller für die Untersuchung in Frage kommenden Vereine dargestellt. Zusätzlich wird die Bevölkerungszahl des Bezirks angegeben und ins Verhältnis zu der in Frage kommenden Zahl an Vereinen gesetzt.
Es zeigt sich eindeutig, dass der Bezirk Mitte ein Brennpunkt des Vereinswesens ist. Bei Berücksichtigung der Einwohnerzahl des Bezirks ergibt sich ein Verhältnis von 8.978 Einwohnern pro Verein. Am anderen Ende der Skala findet sich der Bezirk Reinickendorf, der mit nur fünf Vereinen ein Verhältnis von 52.050 Einwohnern pro Verein aufweist. Bei 21 Vereinen konnte kein Bezirk angegeben werden, da diese keinen Sitz in Berlin haben. Auch hier ist dies anhand organisatorischer Gründe, bspw. des Umzugs des Vorstands in das Umland Berlins, oder auch historischer Gründe wie bspw. der Verlegung des Sitzes in eine andere Stadt zu erklären.
Bezirk | Anzahl Vereine (alle) | Anzahl Vereine (Umfrage) | Anzahl Einwohner | Verhältnis Einwohner / Verein (alle) |
---|---|---|---|---|
Bezirk Mitte | 41 | 21 | 368.122 | 8.978 |
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg | 14 | 6 | 281.076 | 20.076 |
Bezirk Pankow | 10 | 7 | 394.816 | 39.481 |
Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf | 25 | 8 | 334.351 | 13.374 |
Bezirk Spandau | 7 | 4 | 238.278 | 34.039 |
Bezirk Steglitz-Zehlendorf | 19 | 9 | 302.535 | 15.922 |
Bezirk Tempelhof-Schöneberg | 15 | 7 | 345.024 | 23.001 |
Bezirk Neukölln | 10 | 3 | 328.045 | 32.804 |
Bezirk Treptow-Köpenick | 13 | 7 | 257.782 | 19.829 |
Bezirk Marzahn-Hellersdorf | 9 | 6 | 261.954 | 29.106 |
Bezirk Lichtenberg (Hohenschönhausen) | 13 | 7 | 280.721 | 21.593 |
Bezirk Reinickendorf | 5 | 2 | 260.253 | 52.050 |
Berlin (Verein hat keinen Sitz in Berlin) | 21 | 10 | ||
Summe | 202 | 97 |
Einwohnerzahlen - Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, 2016
Gründungsjahre:
Überraschend sind die erfassten Gründungsjahre der Vereine. Hier wurde eine Gründungswelle beginnend in den 1970er Jahren erwartet. In den Daten zeigen sich jedoch Anstiege in der Gründungszahl in den 1990er und 2000er Jahren. Erklärt werden kann der Anstieg anhand der politischen Wende in Deutschland und der wachsenden Kollaboration mithilfe der neuen Medien.
Mitglieder:
Die Mitgliederzahlen der Vereine weisen keine auffälligen Zusammenhänge auf. So konnte beispielsweise keine Verbindung zwischen dem Alter und der Größe eines Vereins hergestellt werden. Auch thematisch konnte die Popularität der Themen der Vereine nicht mit den Mitgliederzahlen verknüpft werden. Nicht überraschend ist die Feststellung, dass die meisten Mitglieder der Vereine zwischen 48 und 60 Jahren alt sind. Aufgrund von Berufsleben und Kindererziehung sind jüngere Menschen offensichtlich weniger aktiv in Vereinen. Auch die Vermutung, dass Frauen weniger häufig Mitglieder in einem Verein sind, kann bestätigt werden.
Veranstaltungen und Internetauftritt:
Die Vereine bieten eine Vielzahl von öffentlichen Veranstaltungen an, die von Führungen bis hin zu regulären Vereinsstammtischen reichen. Dabei sehen die meisten Vereine die Anwendung von wissenschaftlichen Arbeitsweisen in ihrem Verein als bedeutend an. Auch geben fast alle Vereine eine Form von Veröffentlichung heraus. Alle Vereine sind über das Internet erreichbar und über die Hälfte bieten weitere Angebote über Social Media an.
Weitere Forschung notwendig:
Im Jahr 2018 werden detailliertere Zusammenfassungen der Ergebnisse in die Webseite eingearbeitet. In der zweiten Jahreshälfte ist eine Kontaktierung und Befragung der Vereine geplant, die sich bisher nicht an der Umfrage beteiligt haben.